Ein Artikel aus dem gefiederter Freund, 1-15
Bericht und Bilder: Elisabeth Kehl, Voliere am Mythenquai, Zürich
Die Handaufzucht einer Fächertaube (Goura victoria)
Die Voliere am Mythenquai in Zürich ist älter als der Zürcher Zoo und beherbergt in kombinierten Innen- und Aussenvolieren direkt am See eine reichhaltige Sammlung an tropischen Vögeln. Es werden aber auch zahlreiche verletzte Wildvögel gesund gepflegt oder Jungvögel werden unabhängig von ihrer Art grossgezogen.
In der Voliere Zürich hielten wir über viele Jahre ein Fächertaubenpaar. Im Jahre 2000, genau zum 100-jährigen Jubiläum, schlüpfte das erste junge Täubchen. Es wurde liebevoll von den Alttieren selbständig grossgezogen. Beim Ausbrüten des einen Eies wechseln sich Männchen und Weibchen während ungefähr 28 bis 30 Tagen Brutzeit ab. Das Männchen beteiligt sich während der gesamten Aufzuchtzeit fürsorglich und gleichberechtigt an der Fütterung des Jungvogels und hudert ihn auch. Erst in den Jahren 2007, 2008 und 2009 gab es nochmals gesunden weiblichen Nachwuchs.
Die Handaufzucht nimmt ihren Lauf
Über eine Handaufzucht hatte ich mir nie Gedanken gemacht, da sie nie notwendig war. Doch plötzlich rief mich eine liebe Vogelzüchterin an und bat mich um Unterstützung. Sie besitzt alle drei Arten der Krontaube. Ihr Victoriaweibchen legte zwar immer wieder ein befruchtetes Ei, doch der Täuber hat sein Weibchen beim Ausbrüten nicht unterstützt. Darum verliess auch das Weibchen nach einer gewissen Zeit das Nest. Das Ei wurde darum künstlich ausgebrütet. Am 24. August um 9.00 Uhr schlüpfte das kleine 32 g schwere Täubchen im Brutkasten. Zwei Tage später hatte ich es abgeholt und war schon nervös. Ich fragte mich, ob ich auch alles richtig machen würde, denn wirklich viele Informationen über die Handaufzucht von Fächertauben fand ich in der Fachliteratur nicht. Wenn ich Angaben aufstöberte, dann waren es komplett unterschiedliche. Meine Erfahrungen mit Handaufzuchten von Vögeln aus dem eigenen Bestand wie Rotkopftrogone, Turakos und weiteren Arten halfen mir da auch nicht weiter. Eher noch hilfreich waren die Erfahrungen mit den unzähligen Aufzuchten von Wildvögeln, denn jedes Jahr ziehen wir in der Voliere am Mythenquai hunderte von Wildvögeln gross, um sie anschliessend auszuwildern.
Die erste Nahrung des jungen Fächertäubchens bestand ungefähr sechs Stunden nach Schlupf aus einem Bisschen Wasser mit Lactobakterien. Danach fütterte ich etwa alle drei Stunden 1.5 ml Nutribird 21 mit Lactobakterien in einem Verhältnis von 1 zu 6 mit Wasser. Der erste Kot hat das Junge erst am 28. August abgegeben, und am 29. August wog es schon 44 Gramm. Einen Tag später, am 30. August, hatte es die Augen schon geöffnet und wieder 5 Gramm zugelegt. Am 2. September wog es schon 67 Gramm. Die Mahlzeiten wurden auf 3 ml pro Mal hochgeschraubt. Ich fütterte immer noch alle drei Stunden.
Das Jungtäubchen war immer
Da mir sehr bewusst war, dass ein einzelner Jungvogel sehr intensiv von beiden Alttieren betreut wird und nie alleine ist, habe ich das Täubchen immer mitgenommen. Ich transportierte es täglich von der Voliere nach Hause und wieder zurück. Zum Transport benutzte ich eine Isoliertasche mit einer Bettflasche drin. Ich weiss, dass es da sicher professionellere Möglichkeiten gibt. Als Unterlage hatte ich immer die Farbe Blau gewählt, ihre Farbe.
Am 12. Tag wog die junge Fächertaube schon 80 Gramm, und ich machte mir langsam Gedanken wegen einer Umstellung des Futters. Wie erwähnt, zogen unsere Fächertauben ihre Jungen immer selbständig gross. So nahm ich deren Futterteller als Beispiel: Insektenfutter, verschiedene Körner, Keimfutter, Eifutter und natürlich kleingeschnittene Früchte und Gemüse, sowie frische Waldbeeren und eingelegte Rosinen. Also nahm ich Insektenfutter, ein wenig Körner und ein Bisschen T16 (auch von Nutri Bird für Obst fressende Vögel) und habe alles in einem Mixer kleingeschreddert. Dem Brei fügte ich noch Nutri Bird 21 bei, zuerst nur in einem Verhältnis von 1 zu 3, wobei 3 Teile Nutri Bird 21, über die Tage weg immer etwas mehr. Am 21. Tag wog das Küken schon 157 Gramm und erhielt 10 ml pro Mahlzeit. Ich fütterte es immer noch alle drei Stunden, in der Nacht nur noch zweimal. Am 26. Lebenstag wog das Junge schon 230 Gramm, war neugierig und erkundete schon seine Umgebung. Der Jungvogel unternahm Flugübungen und übte sich im Schwanzwippen.
Mitte November hatte die junge Fächertaube angefangen selber zu fressen. Wachsmotten waren ihre Leibspeise! Natürlich wurde sie auch immer von meinem Arbeitskollegen Marc zugefüttert. Anfangs Dezember war es dann soweit – die erste Nacht alleine in der Voliere. Am nächsten Morgen wurde ich stürmisch, aber auch beleidigt begrüsst. Tagsüber lief sie Marc und mir Schritt auf Tritt, immer eng an den Beinen nach, und die Besucher wurden neugierig und sehr interessiert begrüsst. Die Jungtaube wurde selbstbewusster, und am Abend wurde es immer mehr zu einem Spiel von ihr, uns davonzulaufen um nicht in ihr Schlafgehege zu müssen. Nun, da sie bei uns im Vogelhotel und im Büro ihre Zeit mit Papageien und Co. und Menschen verbrachte, befürchtete ich, dass sie bald mit mir in den Pausen Kaffee trinken möchte. Schweren Herzens durfte ich sie wieder zu meiner Züchterkollegin ins Winterquartier bringen, um sie an ihre Artgenossen zu gewöhnen, und vielleicht findet sie da auch einen Partner.
Und im Frühling….wer weiss?
Hinterlassen Sie einen Kommentar